
Was war das nochmal? Ach ja, stimmt. Aber sag’ einmal, ist das denn noch wichtig? Wenn wir heute, im Jahr 2025, in unsere Kirchengemeinden schauen, dann ist ein solcher Dialog gar nicht so unwahrscheinlich. Ökumenisches Miteinander ist vielfach selbstverständlich geworden. Die Zeiten des Kampfes sind eindeutig vorbei. Aber sind wir damit schon am Ziel angekommen? Ist Ökumene noch ein Thema, das brennt, ist Ökumene denn noch wichtig?
Für mich ist Ökumene wichtig und der Weg längst nicht zu Ende gegangen. In meiner Wahrnehmung ist Ökumene unverzichtbarer denn je. Wenn wir als christliche Konfessionen – und das müssen wir angesichts knapper werdender finanzieller und personeller Ressourcen wohl erst klären – noch vom gemeinsamen Verkündigungsauftrag überzeugt sind.
Sind wir voller Sorge und Angst nur mit dem eigenen Fortbestand beschäftigt? Oder gibt es tatsächlich einen übergeordneten Auftrag, den wir „Frohe Botschaft“ oder „Evangelium“ nennen? Und wollen wir dieses Evangelium, in welchen Ausdrucksformen auch immer, weitergeben? Weil es eine gute, befreiende Nachricht ist, die Menschen an ihr schöpfungsgewolltes Ziel gelangen lässt, und Halt in schwierigen Phasen des Lebens bietet?
Wenn wir noch von diesem übergeordneten Ziel überzeugt sind und die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen wollen, dann braucht es meines Erachtens vor allem und zuerst eines: Glaubwürdigkeit.
Diese Glaubwürdigkeit steht und fällt mit der sichtbaren, spürbaren und ehrlichen Liebe zueinander. „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jüngerinnen und Jünger seid: wenn ihr einander liebt.“ (Joh13,35) Dieses Wort, dieser jesuanische Auftrag, ist von entscheidender Bedeutung für unsere Glaubwürdigkeit.
Dass wir seit Jesu Leben, Sterben und Auferstehung unterschiedlichste Wege als Christenheit gegangen sind, ist eine geschichtliche Tatsache. Dass wir dabei dem Wunsch und dem Gebet unseres Erlösers untreu geworden sind, ist ebenso Realität. „So sollen sie vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und sie ebenso geliebt hast, wie du mich geliebt hast.“ (Joh17,23) Beim Lesen dieses Verses bleibt uns nur das Eingeständnis, dass wir aneinander schuldig geworden sind.
Ökumene bedeutet für mich, dass wir diesen inneren und äußeren Auftrag haben. Wir brauchen Versöhnung und Einheit innerhalb der Christenheit, weil wir als Leib Christi nur miteinander und nicht gegeneinander funktionieren können.
Und wir haben den äußeren Auftrag, uns untereinander zu lieben, denn daran hängt unsere Glaubwürdigkeit. Wenn wir einander nicht lieben, wie glaubwürdig können wir dann von der Liebe erzählen?
Ich bin schon lange der Überzeugung, dass wir als Christinnen und Christen viel mehr darauf achten sollten, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden. Das umso mehr, als wir bei religiösen Angeboten nicht mehr konkurrenzlos sind. Und wichtige, christliche Begriffe nicht mehr verstanden werden. Ein Beispiel gefällig?
Frage einmal den nächsten Menschen im Bus oder auf der Arbeit, was Sünde ist. Was wird er wohl antworten? In den wenigsten Fällen wird er Sünde als die Macht beschreiben, der wir als Menschen ausgeliefert sind und die uns von Gott trennt. Nur für uns ist Sünde soviel mehr als ein verzeihbarer Fehltritt. Für viele wird Sünde zur Frage „Fett essen, ja oder nein?“.
Oder warum vertrauen Menschen irgendwelchen Steinen – die man anscheinend mit Energie aufladen kann – mehr als dem Sohn, der sein Leben für uns hingegeben hat?
Glaubwürdigkeit. Ökumene braucht Glaubwürdigkeit. Weil wir einen gemeinsamen Auftrag haben, der da Verkündigung des Evangeliums heißt.
Und wie kann das gelingen?
Durch aufrichtige, liebevolle und beständige Begegnung. Ökumene braucht Begegnung. Immer wieder stelle ich fest, dass wir so wenig voneinander wissen. Haben Evangelische denn auch einen Bischof? Wie feiern unsere neuapostolischen Geschwister das Abendmahl? Warum ist für Mennoniten der christliche Glaube mit unbedingter Gewaltlosigkeit verbunden? Was genau passiert hinter der Ikonostase? Woher kommt der Name Methodisten?
Ich würde mir wünschen, dass wir Ökumene wieder mehr, oder wieder bewusst, als Auftrag verstehen. Als Weg, dessen Ziel wir noch nicht erreicht haben. Als wichtiges Aufeinander-Zugehen, um unserer gemeinsamen Bestimmung gerecht zu werden.
Und dass wir aufhören, uns wegen Nebensächlichkeiten übereinander zu erheben, Anstatt das Gemeinsame und das Einigende ins Zentrum unseres gemeinsamen Glaubens stellen, nämlich Jesus, den wir den Christus nennen. Denn: „Jesus Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit.“ (Hebräer 13,8)